Ein Tag im Leben eines SCRUM-Masters
Hi, mein Name ist Peter (*Name und Handlung sind frei erfunden). Ich bin einer der überflüssigsten Personen, die du je getroffen hast. Wie du dir vielleicht schon denken kannst, bin ich ein zertifizierter Full-Time Scrum Master. Mein Beitrag, den ich jeden Tag in meinem Unternehmen leiste, ist 0. Jeder weiß das, aber keiner tut etwas. Ich nehme dich heute mit und zeige dir, was ich jeden Tag tue (oder auch nicht tue). Viel Spaß beim Lesen. Ich hatte viel Zeit diesen Artikel zu schreiben.
06:30 Uhr: Der Wecker klingelt, und ich springe voller Enthusiasmus aus dem Bett – bereit, die Welt des agilen Arbeitens zu revolutionieren. Oder zumindest so zu tun, als ob.
07:00 Uhr: Nach einer schnellen Dusche und einem noch schnelleren Frühstück öffne ich meine Inbox. Vielleicht gibt es ja eine dringende Frage von einem Teammitglied, die nur ich beantworten kann. Spoiler: meistens nicht.
08:00 Uhr: Das tägliche Stand-Up-Meeting beginnt. Ich frage, wie jeden Tag, die Entwickler nach Updates. Auch wenn das überhaupt keine Auswirkung auf irgendeinen Prozess hat. Agile Buzzwords fliegen durch den Raum. Ich bin zufrieden.
09:30 Uhr: Nach dem Meeting ist vor dem Meeting. Ich verbringe den Vormittag damit, weitere Meetings zu organisieren und sicherzustellen, dass alle pünktlich erscheinen. Denn was wäre ein Tag ohne Meetings? Aber die Hauptsache ist, dass alle Meetings maßlos überzogen werden.
10:00 Uhr: Ich verbringe eine unnatürlich hohe Zeit auf LinkedIn um zu ,,engagen'' und mich zu vernetzen. Warum? Damit ich endlich das ,,Top-Voice-Badge'' erhalte und mir diese extrem qualifizierte Auszeichnung über meine ,,Cross-Functional-Leadership''-Zertifizierung auf meinen Lebenslauf zu packen.
12:00 Uhr: Zeit für ein ausgiebiges Mittagessen mit meinen Kollegen. Wir unterhalten uns über belanglose Dinge und versuchen, den Gedanken zu verdrängen, dass wir eigentlich viel produktiver sein könnten.
13:00 Uhr: Zurück im Büro geht es weiter mit dem Verhindern von produktiver Arbeit. Ich störe meine Teammitglieder bei ihrer Arbeit, um sicherzustellen, dass sie auch wirklich nach dem Scrum-Leitfaden arbeiten – schließlich müssen wir agil bleiben!
17:00 Uhr: Der Arbeitstag neigt sich dem Ende zu. Ich fühle mich erschöpft, aber auch unglaublich erfüllt. Schließlich habe ich wieder einmal bewiesen, dass ich als Full-Time Scrum Master absolut unverzichtbar bin – zumindest für mein eigenes Ego.
18:00 Uhr: Feierabend! Zeit, nach Hause zu gehen und mich auf einen weiteren Tag voller sinnloser Meetings und agiler Buzzwords vorzubereiten. Wer weiß, vielleicht werde ich irgendwann wirklich etwas Sinnvolles tun – aber bis dahin werde ich weiterhin so tun, als ob.
Klingt lustig, ist es aber eigentlich gar nicht. Natürlich wollen wir nicht alle über einen Kamm scheren und nicht jede Scrum Master Position als redundant erklären. Wenn aber nur auf das Durchziehen agiler Frameworks und damit verbundener Positionen geachtet wird, befinden wir uns nicht automatisch auf der Zielgeraden. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass ein Scrum Master, der nicht richtig eingesetzt wird, die Effizienz des gesamten Entwicklungsteams sogar beeinträchtigt.
Ein Full-Time Scrum Master sollte keine Position, sondern eine Rolle sein, die innerhalb eines agilen Teams aufgefangen wird. Sobald diese Rolle wirklich als Vollzeit-Position bekleidet werden muss, laufen in dem Unternehmen ganz andere Dinge schief. Ziel sollte eher sein, sich als Scrum Master selbst fast überflüssig zu machen, damit das Team selbstständig arbeitet. Ein Daily wird nämlich genau dann überflüssig, wenn sich die Projektmitarbeiter sowieso im Austausch miteinander befinden. Hierbei sind dann Milestones und Sprints viel wichtiger, als hart vorgegebene Prozesse.
Quote Agile Prozesse sollen am Ende immer noch Sinn machen und nicht auf Biegen und Brechen einfach durchgezogen werden.
Unternehmen dürfen nicht nur auf die Oberfläche schauen und denken, dass das Einhalten agiler Prinzipien automatisch zu besserer Produktivität führt. Vielmehr muss darauf geachtet werden, dass der Scrum Master eine unterstützende Rolle einnimmt, die das Team befähigt und unterstützt, anstatt es zu beeinträchtigen. Effizienz sollte immer im Mittelpunkt stehen - und das bedeutet, dass wir manchmal über den Tellerrand hinausschauen und kritisch hinterfragen müssen, wie wir agil arbeiten. Sonst laufen wir Gefahr, in einem endlosen Kreislauf aus Meetings und Buzzwords gefangen zu sein, ohne dabei wirklich voranzukommen. Und wenn du dich dabei nun auf den Schlips getreten fühlst, dann denk drüber nach warum. Wir wollen dir nichts Böses, sondern haben vielleicht einen Nerv getroffen. Aber Einsicht ist ja der erste Schritt zur Besserung 😉